SERENDIPITY: Katja, du bist in Frankfurt geboren und hast zeitweise in Australien gelebt. Wie kam es dazu und was hast du in Australien gemacht?
Katja Schlegel: Mit meinen Eltern bin ich von Frankfurt ins Fünfseenland gezogen. Dort habe ich noch zu Schulzeiten den bekannten australischen Silberschmied Hendrik Forster bei einer Ausstellung kennengelernt. Damals hatte er mir angeboten, dass ich nach der Schule zu ihm nach Australien kommen könne, um dort ein Praktikum zu machen.
Für ein halbes Jahr habe ich dort in Hendriks Familie gelebt und mit ihm in der Werkstatt gearbeitet. Das war sozusagen eine Vorbereitung auf meinem Berufsweg. Eine körperlich sehr anspruchsvolle Zeit, intensive und sehr wichtige Zeit für mich.
Das heißt, dort bist du zum ersten Mal direkt mit der Goldschmiedekunst in Berührung gekommen?
Katja: Nicht direkt. Hendrik macht als Silberschmied nur Gerät, also Kannen, Besteck, Tafelgeschirr und solche Dinge. Nach diesem Praktikum war mir aber klar, dass ich in den Schmuckbereich gehen möchte, also Goldschmiedin werden würde. Es war eine gute Vorbereitung auf meine Ausbildung in Neugablonz im Allgäu. Damals das Nonplusultra für eine gute, fundierte Ausbildung in diesem Bereich.
Was hat dich an der Goldschnmiedekunst gereizt?
Ich liebe die vielen kleinen Werkzeuge und ich mag die Ruhe, die diese Arbeit in sich trägt. Schon seit Beginn hat mich dabei besonders begeistert, dass man von Anfang bis Ende alles selbst gestalten kann. Vom Entwurf, über das Bauen von Modellen, das Umsetzen ins Material. Dann der Kundenkontakt und am Ende geht der Kunde bestenfalls mit einem Schmuckstück raus. Das ist für mich eine runde Sache, ein Kreis, der sich schließt. Es hat etwas sehr Befriedigendes.
Wie bist du nach München gekommen und was hat dich hier gehalten? Was schätzt du an München?
Ich wollte in die Großstadt und München ist eine, wie ich finde, wunderschöne Stadt. Außerdem gibt es hier an der Kunstakademie eine eigene Schmuckklasse, was mich damals gereizt hat. In München sind die Leute auch sehr offen für Schmuck, gerne auch großen und bunten Schmuck. München wirkt nur auf den ersten Blick recht konservativ.
München hat zudem mit seinen Theatern, Museen und einer lebendigen Kunstszene viel in Sachen Kunst und Kultur zu bieten. Hinzu kommt, dass München als weltweit anerkanntes Zentrum für zeitgenössischen Schmuck gilt. Einmal im Jahr findet hier die Schmuck, eine Sonderschau für künstlerischen Autorenschmuck, statt. Künstler:innen, Galerist:innen, Sammler:innen und Schmuckliebhaber aus aller Welt kommen eigens dafür nach München. Im Zuge dessen gibt es Ausstellungen an verschiedenen Örtlichkeiten in der ganzen Stadt, sowohl mit etablierten als auch jungen Schmuckkünstlern..
Wie waren deine Anfänge als Goldschmiedin?
Ich habe mich sofort nach der Ausbildung selbstständig gemacht. Mein Weg war allerdings schon recht steinig. Ich war zwar selbständig als Goldschmiedin, habe aber sehr viel nebenher gearbeitet, um mich finanzieren zu können. Dabei habe ich auch für andere Werkstätten gearbeitet, was nicht schlecht war, da ich so einen Einblick ins Business bekommen habe. Damals, 1993, gab es ja noch kein Internet und es musste alles analog gemacht werden. Es war sehr anstrengend, mühsam und auch kostspielig.
Angefangen habe ich in meinem WG-Zimmer unterm Hochbett. Aber ich brauche eine klare Trennung von Arbeit und Wohnen. Ich bin dann später sehr oft mit meiner Werkstatt umgezogen, bevor ich hier meinen Idealort gefunden habe, wo ich nun schon seit 17 Jahren bin.
Aber diese Erfahrungen haben mich ehrfürchtig und demütig gemacht, für das, was ich habe, was ich mit viel Fleiß erreicht habe. Und es ist immer noch etwas besonderes für mich, wenn Menschen hier reinkommen und sich für meine Entwürfe begeistern.
Du arbeitest mit Gold und Silber, besonders gerne auch mit Acrylglas. Was macht für dich den Reiz dieses Materials aus?
Acrylglas begleitet mich seit meinen Anfängen. Ich habe natürlich immer mit Gold und Silber gearbeitet, aber ich habe ein anderes Material dazu gesucht, eines, was nicht so wertig ist wie Edelstein. Ich habe viel mit Holz und Horn herumexperimentiert und bin schließlich beim Acrylglas angekommen. Für mich ist das das perfekte Material, um meine Entwürfe umzusetzen. Ich mag die Farbigkeit, die Transparenz, die Stabilität, die Art, wie es sich bearbeiten lässt und es ist sehr haltbar und leicht.
Deine Schmuckstücke sind von der Formgebung sehr klar und geometrisch. Warum hast du diese Formensprache gewählt?
Zunächst, wenn man anfängt, geht man auf die Suche nach seiner Sprache. Ich habe schließlich den Kreis für mich entdeckt. Als begeisterte Architekturbeobachterin liebe ich klare Formen, ich liebe konkrete Kunst. Für mich ist ein Punkt oder ein Kreis die perfekte Form. Und sich darin immer wieder neu zu erfinden, neue Perspektiven zu entdecken und auch die Wiederholung, macht für mich den Reiz. So passt dann auch alles immer wieder zusammen und es entsteht irgendwann eine große Familie daraus.
Was inspiriert dich zu deinen Stücken?
Manchmal habe ich das Gefühl, jetzt fällt mir gar nichts mehr ein. Es gibt immer mal wieder Phasen, wo man leer ist – dann muss ich raus. Dann gehe ich ins Museum, ins Theater oder ins Konzert, oder auch mal in eine andere Stadt. Schauen und offen durch die Welt gehen, Dinge sammeln und im wahrsten Sinne des Wortes begreifen.
Auch Literatur inspiriert mich, genauso wie gute Gespräche. Sowas berührt mich einfach.
Wie gehst du bei der Entwicklung eines neuen Stückes vor?
Ich arbeite sehr gerne mit Papiermodellen oder mit verschiedenen Materialproben. Es ist sehr spielerisch. Ich setze mich hin und schiebe die verschiedenen Elemente zusammen und experimentiere. Dann gehe ich relativ schnell in die Arbeit. Ich kann bei den Entwürfen schon ziemlich schnell sehen, ob es für mich passt oder nicht.
Was ist dir wichtig an Schmuck? Was soll er für eine Aussage haben?
Es soll auf jeden Fall Spaß machen, Schmuck zu tragen. Im besten Falle kann ein Stück seine Träger:innen stärken. Es erfordert schon Selbstbewußtsein, wenn man mit einer großen Brosche rumläuft, weil man dadurch sehr sichtbar ist. Schmuck kann kontrovers sein, kann ein Gespräch anregen. Schmuck hat immer auch etwas mit Individualität zu tun. Schmuck kann ein Talisman, etwas Beschützendes sein, ein Erinnerungsstück. Es gibt ganz unterschiedliche Beweggründe, warum Menschen Schmuck tragen. Ich würde mir wünschen, dass mein Schmuck den Menschen ein gutes Gefühl gibt.
Du bist in einigen nationalen und internationalen Galerien vertreten und nimmst immer wieder an Ausstellungen teil. Wie kam es dazu?
Ich habe in meinen Anfängen auf der Messe Inhorgenta ausgestellt, dort habe ich meine ersten Galerien gefunden, mit manchen arbeite ich auch heute noch zusammen. Auch durch die Schmuck konnte ich viele Kontakte knüpfen. Seit elf Jahren biete ich im Rahmen dessen jungen Absolvent:innen hier in der Galerie eine Plattform, damit sie ihre Stücke zeigen können. Das hat eine tolle Energie und man bleibt im Austausch. Dadurch bekomme ich auch Kontakt zu anderen Galeristen. Beispielsweise nach New York oder Washington, wo ich jeweils eine Galeristin habe. In New York konnte ich zudem im Museum of Art and Design ausstellen. Es liegt natürlich auch immer an einem selbst, wie viel Energie man dahingehend aufwendet und nicht zuletzt, was man gerade zu bieten hat. Man ist ja nicht immer auf dem Höhepunkt seines Schaffens.
Du hast in der Corona Zeit deine Schaufenster für verschiedene Künstler zur Verfügung gestellt, um auf die Wichtigkeit von Kunst und Kultur aufmerksam zu machen. Hast du den Eindruck das Verhältnis dazu hat sich in dieser Zeit verändert? Glaubst du, es besteht weniger oder vielleicht sogar mehr Interesse an Kunst und Kultur als vor Corona?
Was mich damals dazu veranlasst hat, war natürlich, dass alles zu war, alle Museen, alle Galerien, natürlich auch meine. Mein großes Fenster an der Stirnseite schien mir perfekt, um diese Idee umzusetzen. Das wurde begeistert sowohl von den Künstlern als auch von den Besuchern angenommen. Als es schließlich vorbei war, weil alles wieder offen hatte, kamen fremde Menschen auf mich zu und fragten „Wann kommt denn hier mal wieder eine Ausstellung?”. Ansonsten denke ich, ist es ist wie vor Corona-Zeiten, da hat sich nicht so wahnsinnig viel verändert, aber ich kenne natürlich die Besucherzahlen der Museen nicht.
Du arbeitest immer noch gerne mit anderen Künstlern zusammen und gibst ihnen auch immer wieder die Möglichkeit in deiner Schmuckgalerie auszustellen. Was hat dich dazu bewogen? Wie suchst du die Künstler aus?
Das geschieht rein intuitiv. Ich muss immer eine Verbindung haben. Meist kenne ich die Künstler vorher. Im Winter hatte ich Yoshiyuki Miura, einen japanischen Bildhauer, bei mir zu Gast, den ich über meinen Mann kenne. Als nächstes stellt die Stickkünstlerin Victoria Martini bei mir aus, die ich auch schon sehr lange kenne. Ich habe einfach Lust darauf, auch mal was anderes zu zeigen und ich empfinde es als Luxus für kurze Zeit, die Kunst auszusuchen, in der ich dann arbeiten und wirken darf. Und man spricht dadurch natürlich ein anderes Publikum an.
Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit der bekannten Schauspielerin Anna Schudt, die deinen Schmuck präsentiert?
Mit Anna bin ich durch gemeinsame Schauspielfreunde zusammen gekommen. Wir kennen uns seit 20 Jahren und haben sogar zusammen gewohnt. Ganz zu Anfang hatte sie eine Taschenwerkstatt hier mit im Laden. Dadurch sind wir sehr enge Freundinnen geworden und da hat sich die Zusammenarbeit angeboten. Wenn sie Fotoshootings hat oder auf großen Bühnen steht, entwerfe ich extra etwas für sie.
Was hast du für Kundinnen? Was erwarten bzw. wollen sie mit ihrem Schmuck zum Ausdruck bringen?
Sicherlich wollen meine Kundinnen keinen Mainstream, auch keine reine Dekoration, kein Statussymbol. Sie möchten ihre Persönlichkeit unterstreichen, ein Statement setzen und haben Mut zur Sichtbarkeit. Viele meiner Kundinnen kaufen sich ihren Schmuck selbst. Manche Kundinnen erzählen mir, dass sie auf ihren Schmuck angesprochen wurden. Das beflügelt meine Arbeit. Das ist sozusagen mein persönlicher Applaus.